Wie wird der Postmarkt in 10 Jahren aussehen? Wie werden Postdienstleister in 2030 arbeiten?
10 Jahre sind eine interessante Zeitspanne: vor 10 Jahren kam das iPhone offiziell auf den Markt. Weitere 10 Jahre zuvor, in 1998, habe ich mein erstes Nokia Mobiltelefon bekommen. In jenem Jahr wurde auch der deutsche Postmarkt liberalisiert und ich durfte Zeuge dieser Pionierstimmung sein. Als wir mitten in der 1. Dotcom Welle mit Spectos 2001 starteten, überlegten wir, wie unser Geschäftsmodell in 15 Jahren aussehen sollte, wenn alle Briefe digitalisiert und ins Internet transformiert sein würden. Aber wie Bill Gates bereits 1996 sagte: “Wir überschätzen immer die mögliche Veränderung der nächsten zwei Jahre und unterschätzen die mögliche Veränderung der nächsten 10 Jahre!”
Im Jahr 2018 hat sich bereits vieles geändert, aber noch gibt es Briefe, insgesamt sogar noch mehr als vor 20 Jahren, und Briefe sind für die meisten Postdienstleister nach wie vor die Cash Cow Nr. 1. Die Paketvolumen schießen mit dem eCommerce-Boom weltweit in die Höhe, während Briefvolumen stetig und in unterschiedlichen Geschwindigkeiten sinken – mit einer Ausnahme: Deutschland!
Natürlich stellt sich die Frage, warum sich der deutsche Markt so anders entwickelt als der Markt in nahezu allen anderen Industrieländern? Hängen die Deutschen mehr am Papier als andere? Sind wir zu konservativ, wenn es um neue Technologien geht? Möglich!
Könnte es auf der anderen Seite an positiven Effekten des Wettbewerbs im Postmarkt liegen, wie die freie Wahl des Dienstleisters? Oder machen es Mehrwertdienstleistungen, wie monatliche Rechnungen nach Leistungserbringung, Abholservices, digitale Rückführung von Redressen und Briefe mit Sendungsverfolgung den Kunden einfacher, sich für die papiergebundene Kommunikation zu entscheiden? Können möglicherweise die mehr als 100 mittelständischen, dezentralisierten und regionalen Postdienstleister schneller und flexibler auf die sich verändernden Marktgegebenheiten reagieren und den technologischen Wandel besser mitgestalten? Oder ist es der Preis, der sich sich im Vergleich zu anderen Ländern inflationsbereinigt in den letzten 10 Jahren nicht wirklich erhöht hat, der die Briefvolumen in Deutschland stabilisiert?
Was auch immer die Gründe, auch wenn der Markt sich stark verändert hat, ist der Brief nach wie vor ein profitables Geschäft. Wahrscheinlich wird das auch in 2030 bei einem komplett veränderten Markt noch der Fall sein. Meine Vision und Überzeugung ist, dass papiergebundene Kommunikation als ein Premiumprodukt überleben wird, denn sie erzeugt beim Kunden eine Aufmerksamkeit und einen Druck, die weit über die digitalen Alternativen hinausgehen. Warum?
Glauben Sie, dass es in 2030 keine Bücher mehr geben wird? Haben eReader in den letzten Jahren die gebundenen Ausgaben ersetzt? Jedesmal, wenn ich darüber nachdenke, empfinde ich eine gewisse Ironie darin, dass eines der größen eCommerce -und Technologieunternehmen der Welt sein Geschäft mit Büchern aufgebaut hat. Und es funktioniert, obwohl Amazon im Grunde gar nichts substituiert, sondern lediglich physische Logistik durch digitale Infrastrukturen revolutioniert hat.
Trotz digitaler Alternativen ist unser Briefkasten jede Woche voll mit Briefen, Prospekten und neuerdings auch mit kleinen Paketen. Papier und Physisches funktionieren immer noch! Die junge Generation in Deutschland, welche bereits seit ihrer Geburt mit dem Internet groß geworden ist, scheint verständlicherweise keine Tageszeitungen und Magazine mehr zu mögen. Bücher jedoch liest sie immer noch genauso oft wie vor 10 Jahren. Um es mit Yogi Berra zu sagen: “Die Zukunft ist nicht mehr das, was sie mal war.”
Was können Postdienstleister daraus mitnehmen für 2030?
Sicherheiten: Papier wird es in der einen oder anderen Form immer noch geben und muss immer noch zugestellt werden. Der Markt wird jedoch komplexer sein und die Logistikketten werden sich weiter aufsplitten und diversifizieren. Anforderungen an die Service-Qualität werden dadurch ebenfalls komplexer. Papier bleibt auch in einer digitalisierten Wirtschaft eine effektive “Premium”-Standardschnittstelle.
Wahrscheinlichkeiten: Monopolisten und isolierte, proprietäre Netzwerke können auf den sich stark verändernden Markt nicht schnell genug reagieren. Ungeachtet digitaler Konzepte und Services und steigenden Druck auf Briefvolumen werden Kunden die papiergebundene Kommunikation als Premiumservice weiterhin wertschätzen. Netzwerke, digitale Infrastrukturen und Kooperation über digitale und physische Standardschnittstellen werden kritische Erfolgsfaktoren sein.
Sowiesos: Eine kundenorientierte End-to-End Einstellung aller Unternehmen ist notwendig, auch wenn der Dienstleister nur einen oder mehrere spezifische Prozesse innerhalb der Logistikkette verantwortet. Die Logistik ist die Kernaufgabe, welche mit digitalen Infrastrukturen unterstützt und verbessert werden muss, um besser, schneller, sicherer und kundenorientierter zuzustellen.
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